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Familiäre Mittelmeerfieber (FMF)

 

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist die häufigste monogen vererbte, autoinflammatorische Erkrankung und gehört zu den periodischen Fiebersyndromen, die vor allem ethnische Gruppen aus dem östlichen Mittelmeerraum betreffen.1
Die folgenden Abschnitte enthalten weitere Hintergrundinformationen zu dieser Erkrankung, stellen die Wirksamkeit von Kineret® bei Patienten mit FMF dar und geben Hinweise zur Dosierung und Anwendung.

 

Epidemiologie

 

FMF ist eine seltene Erkrankung und kommt gehäuft bei Menschen mit Abstammung aus dem Mittelmeerraum oder aus dem Nahen Osten mit arabischer, armenischer, jüdischer (insbesondere nicht-aschkenasischer), türkischer oder italienischer Herkunft vor. Weltweit sind etwa 150.000 Menschen betroffen.1 Die Zahl der Merkmalsträger, d.h. derjenigen, die den für die Erkrankung verantwortlichen Gendefekt in sich tragen, ohne zu erkranken, dürfte jedoch wesentlich höher sein. Durch die weltweite Migration ist eine steigende Häufigkeit (Prävalenz) der Erkrankung in Westeuropa, USA und Australien zu beobachten.
In der Gesamtbevölkerung in Deutschland bei Kindern bis 16 Jahren beträgt die Prävalenz ca. 0,005 %. Um das Jahr 2012 waren insgesamt ca. 4.000 Fälle in Deutschland bekannt.2 Bei der türkischstämmigen Bevölkerung bis 16 Jahre betrug die Prävalenz nach vorsichtigen Schätzungen damals etwa 0,1 %.3

 

Quellen
  1. Wang DQH et al. Familial Mediterranean Fever: From Pathogenesis to Treatment. J Genet Syndr Gene Ther 2014; 5:5.
  2. Lainka E et al. Incidence and clinical features of hyperimmunoglobulinemia D and periodic fever syndrome (HIDS) and spectrum of mevalonate kinase (MVK) mutations in German children. Rheumatol 2012; 32: 3253-3260.
  3. Hitzegrad A. (2018). Familiäres-Mittelmeerfieber-Patienten mit heterozygotem Genotyp: Eine Patientengruppe mit einem milderen Verlaufsprofil, Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin. https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/22893/diss_annahitzegrad.pdf?sequence=1&isAllowed=y.

 

Ursachen

 

FMF wird durch genetische Mutationen verursacht, die zu einer erhöhten Produktion von IL-1β und damit zu einer erhöhten Entzündungsaktivität führen. In der Regel handelt es sich um eine Mutation im sogenannten MEVF (Mediterranean Fever) – Gen auf Chromosom 16, welches für das Protein Pyrin kodiert.
Ursprünglich galt die Annahme, dass FMF ausschließlich klassisch autosomal-rezessiv vererbt wird, der Gendefekt also auf beiden Allelen vorhanden sein muss, damit die mit FMF verbundenen unkontrollierten Entzündungen im Körper ausbrechen. Der aktuelle Wissenstand besagt, dass bei bis zu einem Fünftel der Betroffenen nur eine heterozygote oder keine Mutation im MEFV-Gen vorliegt, weshalb davon ausgegangen wird, dass es noch andere genetische Ursachen für die Erkrankung gibt. Es gibt auch Fälle, bei denen Träger zweier Mutationen im MEFV-Gen (homozygot) nie erkranken oder umgekehrt eine gefährliche Spätfolge entwickeln, die Amyloidose. Genaue Zahlen zur Häufigkeit gibt es hierzu jedoch nicht.1 Bei Patienten mit unbehandeltem FMF besteht das Risiko, eine Amyloidose mit Niereninsuffizienz zu entwickeln.2,3,4

 

Quellen
  1. Kallinich T. Neues zum familiären Mittelmeerfieber. Arthritis Rheum 2013; 6: 379-385.
  2. Özen S et al. Familial Mediterranean Fever: Aktuelle Entwicklungen in der Pathogenese und neue Empfehlungen für das Management. Front Immunol 2017;8:253.
  3. Padeh S et al. Familial Mediterranean fever. In: Hashkes PJ, et al. (eds). Textbook of Autoinflammation. Springer 2019. p293–314.
  4. Ben-Chetrit E et al. Familial Mediterranean Fever in the world. Arthritis Rheum 2009;61(10):1447–1453.

 

Symptome

 

FMF ist gekennzeichnet durch selbstlimitierende, periodische Fieberschübe, Gelenkschmerzen und Serositis sowie erhöhte Akut-Phase-Werte wie BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit), SAA (Serum-Amyloid) und CRP (C-Reaktives Protein).1,2

Frequency

Häufigkeit der Fieberschübe:


einmal pro Woche bis mehrmals im Jahr2

 

Duration

Dauer der Fieberschübe:


0,5 bis 3 Tage


asymptomatisch zwischen den Schüben2

 

Family

Erstmanifestation:


bei 90 % der Patienten im Alter von unter 20 Jahren


Durchschnittliches Alter bei Ersterkrankung: 3 bis 9 Jahre3

 

  • Rezidivierende Fieberschübe (39 – 40° C).3,4
  • Pleuritis bei circa 30 – 50 % der Patienten.3,4
  • Peritonitis und starke gastrointestinale Symptome bei circa 90 % der Patienten.3,4
  • Arthralgien vor allem in den großen Gelenken der unteren Extremitäten bei circa 50 % der Patienten. Kinder sind häufiger davon betroffen.
  • Myalgien bei circa 20 – 40 % der Patienten, hauptsächlich in den unteren Extremitäten. 3,4
  • Erysipelartiges Exanthem (schwere, schmerzhafte Hautrötungen) vor allem im Bereich der Füße und/oder der Unterschenkel.3,4

 

Quellen
  1. Özen S et al. Familial Mediterranean Fever: Aktuelle Entwicklungen in der Pathogenese und neue Empfehlungen für das Management. Front Immunol 2017;8:253.
  2. Padeh S et al. Familial Mediterranean fever. In: Hashkes PJ, et al. (eds). Textbook of Autoinflammation. Springer 2019. p293–314.
  3. Ozdogan H et al. Familial Mediterranean Fever. Presse Med 2019;48(1 Pt 2):e61–e76.
  4. Ben-Chetrit E et al. Familial Mediterranean Fever in the world. Arthritis Rheum 2009;61(10):1447–1453.

 

Verlauf

 

Die Art, Schwere und Dauer der Symptome und Krankheitsschübe variiert stark von Patient zu Patient, aber auch individuell von Schub zu Schub. Zwischen den einzelnen Fieberschüben sind die Betroffenen in der Regel symptomfrei. Etwa 90 % der Betroffenen erkranken vor dem 20. Lebensjahr, davon 2/3 bereits vor dem 10. Lebensjahr.1 Bei einem frühen Erkrankungsalter (zwischen dem 2. und 7. Lebensjahr) werden häufig schwere Verläufe beobachtet.2 Es wurden auch Fälle beschrieben, bei denen die Erkrankung erst nach dem 40. (oder sogar nach dem 60.) Lebensjahr auftrat.3 Die Auswirkungen von FMF sind bei Kindern und Erwachsenen ähnlich, allerdings treten einige Symptome wie etwa Arthritis oder Myositis häufiger in der Kindheit auf.
Es gibt drei Verlaufsformen des FMF:4

  • Typ I: Hierbei handelt es sich um die klassische Form mit den oben beschriebenen Symptomen.
  • Typ II: Die Amyloidose wird als „Erstmanifestation“ der Erkrankung festgestellt. Die typischen Fieberattacken treten zeitlich nach Auftreten der Amyloidose auf oder die Amyloidose bleibt das einzige Symptom der Erkrankung.
  • Typ III: Trotz Vorhandensein von zwei Mutationen im MEVF-Gen treten keine für das FMF typischen Symptome auf.

 

Quellen
  1. Hitzegrad A. (2018). Familiäres-Mittelmeerfieber-Patienten mit heterozygotem Genotyp: Eine Patientengruppe mit einem milderen Verlaufsprofil, Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin. https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/22893/diss_annahitzegrad.pdf?sequence=1&isAllowed=y.
  2. Hitzegrad A, Kallinich T. Familial Mediterranean Fever: Current Recommendations for Diagnostics and Treatment Based on the EULAR and SHARE Initiative. Akt Rheuma 2017; 42(1): 46-52.
  3. Ricci P et al. The grandfather's fever. Clin Rheumatol 2020 Feb; 39 (2): 585–594.
  4. Kallinich T., Wittkowski H. Natürlicher Krankheitsverlauf und klinische Manifestationen. In: Familiäres Mittelmeerfieber. UNI-MED, 1. Auflage 2014; p. 51-62.

 

Diagnose

 

Die Diagnose des FMF erfolgt klinisch und kann durch eine genetische Untersuchung bestätigt werden. Hinweise auf ein FMF geben insbesondere: 1,2

  • Auftreten kurzanhaltender Fieberschübe
  • wiederkehrende Schmerzen im Bauchraum
  • die Abstammung aus der Mittelmeerregion
  • erhöhte Entzündungsparameter
  • Anzeichen einer Serositis (Peritonitis, Pleuritis, Synovitis)

Für die Diagnostik werden folgende Untersuchungen empfohlen:

  • Blutuntersuchung: Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) und der Blutsenkungsgeschwindigkeit während des Schubes und im Nachgang
  • Urinuntersuchung: Untersuchung auf Vorliegen einer Proteinurie (bedeutsam für Amyloid-Diagnostik)
  • Nierenbiopsie: Entnahme einer Gewebeprobe zur Labor-Untersuchung (Amyloidose-Nachweis)

Spricht der Patient auf Colchicin an, gilt dies als wichtiger Hinweis auf das Vorliegen eines FMF.

Zur Untermauerung der Diagnose kann eine Genanalyse durchgeführt werden. Sie zeigt an, ob der Patient das mutierte MEFV-Gen in sich trägt. Weitere Informationen finden Sie hier

Quellen
  1. Hitzegrad A. (2018). Familiäres-Mittelmeerfieber-Patienten mit heterozygotem Genotyp: Eine Patientengruppe mit einem milderen Verlaufsprofil, Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin. https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/22893/diss_annahitzegrad.pdf?sequence=1&isAllowed=y.
  2. Livneh A et al. Arthritis Rheum 1997; 40 1879-1885.

 

Therapieoptionen

 

Die Standardbehandlung bei FMF ist die tägliche Einnahme von Colchicin. Es ist ein Spindelgift und hemmt die Inflammation, beugt den Fieberschüben sowie der Entwicklung einer Amyloidose vor und kann eine bereits entstandene leichte Einschränkung der Nierenfunktion stabilisieren.1,2 Zur Schmerzlinderung werden bei einer akuten Fieberattacke zusätzlich Analgetika wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verabreicht.


Bei regelmäßiger Einnahme können die Fieberschübe bei knapp zwei Drittel der Patienten durch Colchicin vollständig verhindert werden. Etwa ein Drittel berichtet von einem Rückgang der Symptomatik und bei 5 – 10 % schlägt die Therapie nicht an oder wird nicht vertragen.1
19 – 42 % der Patienten sprechen nicht oder nur partiell auf die Standardtherapie an.3 Manche Patienten entwickeln eine Resistenz gegen Colchicin und bei einigen Betroffenen sind die mit der Einnahme verbundenen gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfe, Durchfall oder Erbrechen so gravierend, dass die Therapie nicht weitergeführt werden kann.4
Wenn Colchicin nicht bzw. nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird, kann zusätzlich oder stattdessen die Behandlung mit einem IL-1 Blocker, zum Beispiel einem sogenannten IL-1-Rezeptorantagonisten, erwogen werden.2

 

Quellen
  1. Hitzegrad A. (2018). Familiäres-Mittelmeerfieber-Patienten mit heterozygotem Genotyp: Eine Patientengruppe mit einem milderen Verlaufsprofil, Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin.https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/22893/diss_annahitzegrad.pdf?sequence=1&isAllowed=y.
  2. Kallinich T et al. Evidence-based treatment recommendations for familial Mediterranean fever : A joint statement by the Society for Pediatric and Adolescent Rheumatology and the German Society for Rheumatology. Z Rheumatol 2019; 78: 91-101.
  3. Corsia A et al. A survey of resistance to colchicine treatment for French patients with familial Mediterranean fever. Orphanet J Rare Dis. 2017; 12: 54.
  4. Ricci P et al. The grandfather's fever. Clin Rheumatol 2020 Feb; 39 (2): 585–594.

 

Abkürzungen:
CAPS Cryopyrin-assoziiertes periodisches Syndrom; CRP C-Reaktives Protein, BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit, FMF Familiäres Mittelmeerfieber; IL Interleukin, MEVF Mediterranean Fever; RA Rheumatoide Arthritis; SAA Serum-Amyloid A; TNF Tumornekrosefaktor.

 

Kineret®

Wirksamkeit

 

In der randomisierten kontrollierten Studie „Anakinra for Colchicine-Resistant Familial Mediterranean Fever" (Anakinra bei Colchicin-resistentem Familiärem Mittelmeerfieber) zeigte Kineret® ein günstiges Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten, die ihre Behandlungsziele mit Colchicin nicht erreichten. Die Behandlung mit Kineret® verringerte die Zahl der Attacken pro Monat und verbesserte die Lebensqualität der Patienten signifikant.1 In der Studie von Corsia A et al. erreichten 76,5 % der Patienten mit keinem oder partiellem Ansprechen auf Colchicin unter Kineret® ein komplettes Ansprechen.2

Primäre und sekundäre Endpunkte*1

FMF

* Wenn nicht anders angegeben, stellen die Werte den Mittelwert ± SD dar.
† Primärer Endpunkt; alle anderen Parameter sind sekundäre Endpunkte.
Modifiziert nach Ben-Zvi I et al., Tabelle 2.1

 

Patienten, die mit Kineret® eine Verbesserung erzielten:1

FMF

Anteil der Patienten, die unter Kineret® eine Verbesserung erzielten. Die Verbesserung des FMF50-Scores* wurde in einer publizierten randomisierten, kontrollierten Studie bei 25 Patienten mit Colchicin-resistentem FMF nachgewiesen, die vier Monate lang entweder mit Kineret® oder Placebo behandelt wurden.
*FMF50 ist ein Score zur Bewertung der Ergebnisse bei FMF. 50 %-ige Verbesserung bei 3 von 4 Kriterien: Häufigkeit der Attacken, Häufigkeit der Gelenkschmerzen, SAA- oder CRP-Spiegel oder Normalisierung dieser Marker und der Werte für Lebensqualität.
Modifiziert nach Abbildung 3, Ben-Zvi I et al.1

 

Kineret® hat ein Sicherheitsprofil, das auf mehr als 20 Jahren klinischer Erfahrung beruht3

  • Das Sicherheitsprofil von Kineret® bei FMF entspricht dem von Patienten mit Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndromen (CAPS), rheumatoider Arthritis (RA) oder dem Still-Syndrom.
  • Die kurze, 4- bis 6- stündige Halbwertszeit von Kineret® kann ein Vorteil sein, wenn eine Dosisanpassung oder ein Absetzen und eine schnelle Auswaschphase erforderlich sind.

Unerwünschte Ereignisse (UE)

Die häufigste unerwünschte Wirkung von Kineret® sind Reaktionen an der Einstichstelle, die meist als leicht bis mittelschwer eingestuft werden.3
Bei anderen Indikationen als FMF sind Reaktionen an der Einstichstelle in der Regel die am häufigsten gemeldeten UE bei der Behandlung mit Kineret®. In einer prospektiven kontrollierten Studie zu CAPS traten bei etwa 45 % der Patienten Reaktionen an der Einstichstelle auf, und die Häufigkeit in der Kineret®- und der Placebogruppe war vergleichbar.3

 

Dosierung und Anwendung

Kineret_Packshot

 

Verabreichung
  • Kineret® wird subkutan mittels Fertigspritze appliziert.3
Dosierung
  • Die empfohlene Dosis für Patienten mit einem Körpergewicht von mindestens 50 kg beträgt 100 mg einmal täglich.
  • Patienten mit einem Körpergewicht von unter 50 kg sollten eine gewichtsabhängige Dosis erhalten, wobei die empfohlene Dosis 1 – 2 mg/kg einmal täglich beträgt.3

 

Injektion
  • Es wird empfohlen, die Einstichstelle zu wechseln, um lokale Beschwerden zu vermeiden.
  • Kühlen der Injektionsstelle mit einem Eisbeutel vor und nach der Injektion.3,4

 

Quellen
  1. Ben-Zvi I et al. Anakinra for Colchicine-Resistant Familial Mediterranean Fever: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Arthritis Rheumatol 2017;69(4):854–862.
  2. Corsia A et al. A survey of resistance to colchicine treatment for French patients with familial Mediterranean fever. Orphanet J Rare Dis. 2017; 12: 54.
  3. Kineret® Fachinformation (aktuelle Version), https://pro.sobi.com/de-de/produkte/kineret.
  4. McGonagle D et al. A proposed classification of the immunological diseases. PLoS Medicine 2006; 1245:1244.

Abkürzungen:

CRP C-reaktives Protein; FMF familiäres Mittelmeerfieber; Kg Kilogramm; mg Milligramm; QoL Lebensqualität; SAA Serum-Amyloid A; SD Standardabweichung; UE Unerwünschte Ereignisse; VAS Visueller Analog-Score.

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